13/02/2017

Bericht über das Kolloquium zur digitalen Überwachung und Cyberspionage in Paris

For the English version, please see below.

Unter Publikationen finden Sie eine Liste der Beiträge der Teilnehmer.

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Vom 22. bis 23. September fand in der Maison de la Recherche in Paris ein Kolloquium zur digitalen Überwachung und Cyberspionage aus einer deutsch-französischen Perspektive statt. Diese Veranstaltung im Rahmen von HeiParisMax, zusammen mit dem Centre Interdisciplinaire d’études et de recherches sur l’Allemagne (CIERA), dem Institut des Sciences Juridique & Philosophique de la Sorbonne (UMR 8103) und dem Deutsch-französischen Doktorandenkolleg zur Rechtvergleichung im Öffentlichen Recht (DFDK) wurde organisiert von Laurence Mayer (Paris 1), Robin Caballero (Humboldt-Universität zu Berlin) und Milan Tahraoui (MPIL Heidelberg). Insgesamt nahmen acht junge Forscher aus dem Bereich der Rechts- und Politikwissenschaft aus Deutschland und Frankreich am zweitägigen Kolloquium teil.

Am 22. September wurde das Kolloquium mit einer Rede von Prof. Evelyne Lagrange (Paris 1 Panthéon-Sorbonne) eröffnet. Es folgte die Vorführung eines cineastischen Meisterwerks zum Thema Spionage: „Spione“ von Fritz Lang (1928). Anschließend besprach Bastian Gascho (Deutsche Film- und Fernsehakademie, Berlin) den Film. Er legte dabei einen Schwerpunkt auf die Kontinuitäten und Bruchlinien in der filmischen Repräsentation zwischen „analoger“ und „digitaler“ Spionage. Nach der Besprechung waren die Teilnehmer dazu eingeladen, ihre Diskussionen in einem schönen Jugendstil-Restaurant in der Nähe (Quartier de l‘Odéon) fortzusetzen.

Der folgende Tag war den Beiträgen der acht Teilnehmer gewidmet. Der Fokus der ersten zwei Panels (Morgen-Session) lag auf der gesetzlichen Regulierung von Sicherheits- und Nachrichtendiensten in Deutschland und Frankreich, moderiert von Prof. Dr. Anne Peters (MPIL Heidelberg). Als erster untersuchte Dr. Christian Djeffal (Humboldt-Universität zu Berlin), nachdem er das Thema seiner Präsentation (IT-Sicherheit durch Gesetz) unter Bezugnahme auf die berühmte Metapher des Panoptikums eingeleitet hatte, welche Regelungsansätze verfolgt werden könnten, um sowohl den Schutz von Personen gegen (Massen-)Überwachung zu verbessern als auch diesen aufzuerlegen, besser für ihren Selbstschutz gegen Überwachungsmaßnahmen zu sorgen.

Als nächstes behandelten Dr. Thorsten Wetzling und Sophia Simon (Stiftung Neue Verantwortung, Berlin) die laufende Reform des BND in Deutschland aus einer politikwissenschaftlichen Perspektive, d.h. mit einem Schwerpunkt auf der institutionellen Ausgestaltung dieser Reform. Die beiden Vortragenden gaben einen kritischen Überblick über die zu diesem Zeitpunkt noch geplante Reform in Deutschland, indem sie insbesondere die Effektivität des Aufsichtsmechanismus, der nach deutschen Recht ausgestaltet werden sollte, in Frage stellten.

Im zweiten Panel stellte Franziska Bantlin (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) den Zuhörern eine Analyse der parlamentarischen und gerichtlichen Kontrollmethoden der in Deutschland existierenden Geheimdienste vor. Sie kam zu dem klaren Ergebnis, dass das Parlamentarische Komitee und die G10-Kommission kein einem Gericht vergleichbares Maß an Unabhängigkeit aufwiesen.

Félix Tréguer (Sciences Po & Quadrature du Net) schloss die Morgen-Session dann mit der Untersuchung einer in Vergessenheit geratenen Bestimmung im kürzlich verabschiedeten französischen Geheimdienstgesetz ab. Diese Bestimmung, die im französischen Recht bereits seit 25 Jahren besteht, gesteht den französischen Geheimdiensten zahlreiche Überwachungskapazitäten zu, indem sie diese dazu ermächtigt, drahtlose Kommunikation abzuhören. Der Vortragende legte dar, dass diese Bestimmung bis heute ein allzu breites Schlupfloch zulasse. Die kritische Einschätzung von Félix Tréguer wurde gewissermaßen durch die nachfolgende Entscheidung des französischen Verfassungsrats vom 21. Oktober 2016 bestätigt.

In der Nachmittags-Session behandelten zwei Panels die Themen des Kolloquiums aus der Sicht des internationalen und europäischen Rechts, moderiert von Prof. Emanuel Castellarin (Universität Straßburg). Layla Kristina Jaber (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) befasste sich eingehend damit, bis zu welchem Ausmaß Mitgliedsstaaten der EMRK im Hinblick auf digitale Überwachungspraktiken von den internationalen Menschenrechten im Rahmen der Konvention gebunden sind. Diesbezüglich sei eine der dringlichsten der von der Vortragenden identifizierten Herausforderungen die Anpassung verschiedener, bereits unter der Konvention bestehender Rechte an das digitale Umfeld.

In einem zweiten Vortrag konzentrierte sich Sahra Golghalyani (Georg-August-Universität Göttingen) auf Fragen der Anwendbarkeit und der Interpretation von Art. 17 des International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR) im Kontext von internationaler Überwachung digitaler Kommunikation. Nach einem umfassenden Überblick über diese beiden Aspekte des Art. 17 bezog sie explizit Position zugunsten des Abschlusses bilateraler Abkommen zwischen Staaten anstelle eines neuen Protokolls, das Art. 17 an unsere globalisierte digitale Welt anpassen würde.

Im letzten Panel beleuchtete Milan Tahraoui (MPIL Heidelberg) in seinem Beitrag die komplexen Fragen, die sich im Hinblick auf die Umsetzung des extraterritorialen Menschenrechtsschutzes in Bezug auf internationale digitale Überwachungspraktiken jenseits der Probleme der Anwendbarkeit der Bestimmungen des ICCPR und der EMRK ergeben. Er legte dar, dass der „Reifeprozess“ der extraterritorialen Fragestellung innerhalb dieses Kontextes und in Bezug auf Menschenrechte auch kontroversen Zielen dienen könne, etwa der Förderung ökonomischer Interessen von Cyber-Mächten oder der Re-Territorialisierung des Internets.

Schließlich behandelte die Präsentation von Clément Perarnaud (Sciences Po Grenoble / Universitat Pompeu Fabra) den Privacy Shield aus einer politikwissenschaftlichen Perspektive. Er beendete seinen Vortrag, indem er aufzeigte, dass die politischen Prioritäten des „deutsch-französischen Paars“ im Hinblick auf Datenschutz und Überwachung eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung dieses neuen Datenschutzrahmens gespielt hätten. Dieser Rahmen spiegle in vielerlei Hinsicht die Widersprüche sowohl der französischen als auch der deutschen Regierung auf diesem Gebiet wider.

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English version:

Report about the colloquium on digital surveillance and cyber espionage with a French and German cross-perspective at Paris

Laurence Meyer (Paris 1), Robin Caballero (HU zu Berlin/Paris 1) and Milan Tahraoui (MPIL Heidelberg) have organised a colloquium on digital surveillance and cyber espionage with a French and German cross-perspective. This event took place from 22 September to 23 September at the Maison de la Recherche in Paris, within the framework of HeiParisMax, together with the Centre Interdisciplinaire d’études et de recherches sur l’Allemagne (CIERA), the Institut des Sciences Juridique & Philosophique de la Sorbonne (UMR 8103) as well as the Deutsch-Französiches Doktorandenkolleg zur Rechtvergleichung im Öffentlichen Recht (DFDK). Eight young researchers in law and political sciences, coming from Germany and France, gathered to discuss the topic of this colloquium with the Franco-German fil rouge during the two-days event.

On the 22th September, the colloquium was inaugurated by a speech of Professor Evelyne Lagrange (Paris 1 Pantheon-Sorbonne) followed by the screening of a cinema masterpiece dedicated to the topic of espionage: “Spione” by Fritz Lang (1928). Bastian Gascho (Deutsche Film- und Fernsehakademie, Berlin) then discussed the film whereby the Kontinuitäten und Bruchlinien in der filmischen Repräsentation zwischen „analoger“ und „digitaler“ Spionage were stressed on. After a debate, the participants were invited to continue their discussions at a nice Art Nouveau restaurant nearby (Quartier de l’Odéon).

The following day was dedicated to the contributions of the 8 participants, with a focus in the two first panel (morning session) on topics dealing with the legal regulation of security and intelligence services in Germany and in France, under the moderation of Pr. Anne Peters (MPIL Heidelberg). First, Dr. Christian Djeffal (Humboldt University zu Berlin), after introducing the subject of his presentation (how to implement IT security through law) by referring to the famous metaphor of the Panopticon, explored which regulatory approaches could be employed both to improve the protection of persons under (mass) surveillance and imposed upon them obligations to protect themselves vis-à-vis other persons.

Dr. Thorsten Wetztling and Sophia Simon (Stiftung Neue Verantwortung, Berlin) then addressed the ongoing reform of the BND in Germany from a political sciences’ perspective, i. e. focussing on the institutional design of this reform. The two speakers gave a critical overview of the reform (at the time of writing of this report) envisaged in Germany, by questioning in particular the effectiveness of oversight mechanisms that will be organised under German law.

In the 2nd panel, Franziska Bantlin (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) provided the audience with an analysis of the parliamentarian and judicial modes of control of the intelligence agencies existing in Germany. She made clear her finding that the Parliamentarian Committee and the G10 Commission cannot be regarded as offering a level of independence comparable to that of a court.

Félix Tréguer (Sciences Po & Quadrature du Net) then concluded the morning session with an investigation into a forgotten provision in the recently adopted so-called French Intelligence Bill. This provision that exists under French law since 25 years, provides the French Intelligence agencies with numerous surveillance capacities authorising them to target “Hertzian communication”. The speaker argued that this provision seems to permit until now the existence of an overly broad loophole. The critical assessment made by Félix Tréguer was somehow confirmed by the subsequent decision of the French Conseil Constitutionnel that has been rendered on 21 October 2016.

In the afternoon session, two panels were dealing with the topics of the colloquium from the viewpoint of international and European law, with the moderation of Pr. Emanuel Castellarin (Strasbourg University). Layla Kristina Jaber (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) delved into the matter of determining to which extent member States of the ECHR are bound by international human rights law, under the convention in light of digital surveillance practices. In that regard, one of urgent challenges identified by the speaker is the adaptation of several rights existing under the Convention to the digital environment.

In a second presentation, Sahra Golghalyani (Georg-August-Universität Göttingen) focused on issues relating to the applicability and the interpretation of Art. 17 of the ICCPR in the context of international surveillance of digital communications. After giving an extensive view on those two facets of Art. 17, she took explicitly position in favour of the conclusion of bilateral agreements between states rather than relying on a new protocol adapting Art. 17 to our global digital time.

In the last panel, Milan Tahraoui (MPIL Heidelberg) made his contribution by highlighting some of the complexities attached to the extraterritorial human rights protection applied to international digital surveillance practices beyond the issue of the applicability of the provisions of the ICCPR and ECHR. He argued that the “maturation” of the extraterritorial question within this context and with respect to human rights, could also serve controversial aims such as serving economic interests of cyber powers or increasing the re-territorialisation of the Internet.

Finally, Clément Perarnaud (Sciences Po Grenoble/Universitat Pompeu Fabra) gave a presentation focusing on the Privacy Shield, from a political scientist perspective. He concluded by pointing out that the political preferences of the Franco-German couple with regards to data protection and surveillance have played a decisive role in the shaping of this new data protection framework, which in several aspects reflects the inconsistencies of both the French and German governments in this field.